Eine gute User Experience lohnt sich! Wir haben einige unserer UX-Specialists nach Beispielen befragt, wodurch sich gutes – und nicht so gute – UX Design auszeichnet. Außerdem berichten sie von ihren Lieblings-UX-Methoden und erzählen Anekdoten aus Projekten und ihrem Alltag.
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Und hier nun nützliche Insights unserer UX-Experten aus Projekten, dem Alltag und unserem UX-Methodenrepertoire:
Claudia Sinnig Senior UX-Specialist & Konzepterin |
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Claudia, welcher (Alltags-)Usability-Fail hat dir das Leben mal so richtig erschwert?
Erst kürzlich war ich geschäftlich in München unterwegs. Und wie beim Besuch jeder deutschen Stadt graute es mir schon vor dem ÖPNV-Automaten: Einzelfahrt, Kurzstrecke, Streifenkarte oder Tageskarte? Wie viele Zonen brauche ich? Sind Rückfahrten erlaubt? Bis wann gilt die Tageskarte? Und muss ich stempeln?
Welches Usability-Paradebeispiel hat dein UX-Herz stattdessen besonders erfreut?
Ich habe eine Zeit lang in China gelebt und mir dort nie Gedanken über Fahrkarten machen müssen: Einmal ÖPNV-Karte besorgen, mit beliebigem Betrag aufladen und dann swipe am Eingang, swipe am Ausgang – fertig!
Deine Lieblingsmethode, um die Grundlage für gute User Experience zu legen?
Mein (aktueller) Favorit: User Feedback Days mit anschließendem Konzeptionsworkshop. Bei User Feedback Days beobachten Entwickler, Designer, Produktmanager und interne UX-Professionals die Nutzerinnen und Nutzer live. Anschließend werden in einem gemeinsamen Workshop die Insights diskutiert, priorisiert und Optimierungen direkt gescribbelt. Diese Abwandlung des klassischen Usability-Tests passt perfekt ins agile Umfeld, holt alle Beteiligten an Bord, vermeidet Dokumentations-Overhead – und ich als Gestalter komme natürlich voll auf meine Kosten, wenn ich zu Stift und Papier greifen darf.
Dr. Rebekka Hoffmann UX-Researcherin |
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Welcher Usability-Fail begegnet dir im Alltag immer wieder? Wie sähe deine Lösung aus?
Was mir schon öfter negativ aufgefallen ist: Wenn Filter im Filtermenü hierarchisch geordnet sind und man die Reihenfolge nicht ändern kann oder alle Filter gleichberechtigt sind. Das ist mir zuletzt aufgefallen, als ich Kinderkleidung kaufen wollte und immer ZUERST angeben musste, ob es für einen Jungen oder ein Mädchen ist, und erst dann kommen die Untermenüs zu „Hose, Jacke, Shirts“ usw. D.h. ich kann immer nur nach entweder Jungen- oder Mädchenkleidung gucken und muss alles doppelt suchen. Total nervig.
Bei Erwachsenenkleidung hat mich das bisher weniger gestört, aber für eine gelungene Inklusion sollte man meiner Meinung nach das gesamte binäre Konzept hinterfragen. Fortschrittliche Firmen sollten die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ganz weglassen oder zumindest auch non-binäre Suchkategorien anbieten oder parallele Filter zuzulassen. So könnte man gleichzeitig mehrere Farben und Größen auswählen und auch alle Geschlechter.
Tino Fuchs Teamlead Business Development |
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Welcher (Alltags-)Usability-Fail hat dir das Leben mal so richtig erschwert?
Neue Bluetooth In-Ear-Kopfhörer sollten es sein. Bedienbar angeblich direkt an den Kopfhörern. Ich habe die Kopfhörer seit mittlerweile einem Jahr, aber bedienen kann ich sie noch immer nicht. Immerhin weiß ich nun, wie ich vorsichtig mit dem Zeigefinger über eine bestimmte Stelle streicheln muss, damit sie leiser werden.
Eine haptische Lösung kombiniert mit einer App wäre hier im Sinne des Users gewesen. Wen interessiert das Design bei einem Artikel, der im Ohr verschwinden soll? Mich jedenfalls nicht!
Welches UX-Beispiel hat dich besonders erfreut?
Das erste Mal, als ich mit einem MacBook gearbeitet habe, war schon sehr cool. Ich konnte den Apple-Hype zwar nie fühlen, aber zumindest verstehen. Das änderte sich, als ich das erste Mal ein MacBook öffnete. Eine intuitive Bedienung ohne Ladezeiten und dabei noch ein modernes, aber minimalistisches Design der Hard- und Software. Das hatte was. Fortan konnte ich das Produkt auch „fühlen“.
Welche ist deine UX-Lieblingsmethode und was schafft sie besonders gut?
Aus Erfahrung weiß ich, dass gerade junge Unternehmen oftmals keine genaue Vorstellung von ihrer Zielgruppe haben. Daher empfinde ich es als besonders wichtig, seine Personas zu kennen. Häufig ist das Ergebnis, dass man in der Realität eine völlig andere Zielgruppe hat, als man ursprünglich durch die Betriebsblindheit annahm. Die Maßnahmen, die dadurch ergriffen werden, können die komplette strategische Ausrichtung eines Produkts oder einer Marke ändern und zum Erfolg beitragen.
Ari Podlesny UX-Designerin |
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Ari, welches Usability-Musterbeispiel hat dein UX-Herz mal besonders erfreut? Was daran hat funktioniert?
Von meinem E-Mail-Programm war ich sehr positiv überrascht, als es mich darauf hinwies, dass ich meiner gerade getippten Mail ja noch eine Datei anhängen wollte. Denn sobald der E-Mail-Text ein Schlagwort wie „anbei“ enthält, erkennt das Mailprogramm, dass die Nutzer:in einen Anhang hinzufügen wollte – und wenn das vergessen wurde, wird er/sie beim Abschicken darauf hingewiesen.
Der Use Case „noch schnell was rausschicken“ (oder, in meinem Fall, „verpeilte Nutzerin“) wurde hier gut mitgedacht und durch ein sehr hilfreiches Feature bedient. Die Software wird so vom reinen Tool zu einem Unterstützer. Das ist in meinen Augen ein Beispiel für wirklich gute UX.
Welche ist deine UX-Lieblingsmethode und was schafft sie besonders gut?
Wireframing und Prototyping. Die wichtigsten Aspekte eines Produkts ganz pragmatisch in kurzer Zeit aufzubauen und testen zu können, bringt viele wertvolle Erkenntnisse, spart Frust („wir müssen abermals alles neu machen“) und macht mir persönlich auch einfach sehr viel Spaß.
Friederike Waterstrat User-Experience-Specialist & Psychologin |
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Welcher Usability-Fail hat dir deinen Alltag mal so richtig erschwert? Wie sähe deine Lösung aus?
In meiner Uni ließ sich jede Tür mittels daneben befindlichem Schalter bequem öffnen, was gut war, denn die Brandschutztüren waren händisch relativ schwer zu öffnen. Nur bei einer einzigen Tür im Gebäude wurde dieses Prinzip ignoriert: der Schalter zum Öffnen der Tür befand sich nicht neben der Tür, stattdessen war dort ein Lichtschalter platziert. So konnte man in schöner Regelmäßigkeit beobachten, wie die Leute gegen die Tür gelaufen sind, weil der Schalter nicht die erwartete Wirkung hatte. (Ein weiterer Fail: den Lichtschalter braucht man nicht, das Licht ging überall automatisch an).
Die Lösung:
- nicht plötzlich mit erlernten Mustern brechen: „Neben der Tür befindet sich der Türöffnungsschalter“
- keine Elemente einbauen, die überflüssig sind: Ein Lichtschalter, obwohl Licht von selbst angeht
Deine Lieblingsmethode, um die Grundlage für gute User Experience zu legen?
Ich führe am liebsten User Research durch und dabei ganz besonders gern Tiefeninterviews. Und das nicht nur, weil ich Psychologin bin? In diesen Gesprächen kann man die Lebenswelt von realen Menschen hinter der ansonsten gesichtslosen Gruppe „Nutzer“ kennenlernen und wirklich verstehen, WARUM sie etwas tun, was sie dazu motiviert und wie es ihnen dabei emotional geht. Kombiniert mit quantitativen Nutzerbefragungen ergeben sich daraus mächtige Insights, die Ausgangsbasis für jede Produktentwicklung sein sollten und Erfolg oder Misserfolg eines Produkts maßgeblich beeinflussen.
Katrin Kowol UX-Designerin |
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Katrin, welcher UX-Fail begegnet dir im Alltag immer wieder? Wie sähe deine Lösung aus?
Zum Thema UX-Writing: Ich bekomme immer Schmerzen und denke an Erste-Hilfe, wenn ich auf Websites im Bereich Jobs „Offene Stellen“ lesen muss. Auaaaahaha! Abhilfe: Wording ändern in „Vakante Stellen“, „Stellenausschreibungen“ oder „Talente gesucht“ – da gibt es so viel.
Und noch etwas aus dem analogen Alltag: Warum trinkt man Tee? Weil er wärmt, einerseits beim Trinken und andererseits kann man an der Tasse schön seine Hände wärmen. Vor allem im Winter finde ich es super schade, wenn ich durchgefroren in einem Restaurant so ein fancy doppelwandiges Teeglas bekomme, das mir zwar nicht die Finger verbrennt, aber eben nicht meine kalten Finger wärmt. Abhilfe: Nutze eine normale Tasse mit Henkel 😉
Auf welches Projekt-Ergebnis bist du so richtig stolz, wo du für eine verbesserte User Experience gesorgt hast?
„Stolz“ passt nicht richtig, aber eine schöne Geschichte, die ich nicht so schnell vergessen werde: Ich habe eine Schwäche für Wetten und in meinen ersten Berufsjahren habe ich mich zum Beispiel auf eine Wette mit meinem Chef eingelassen. Der wollte von mir damals, dass ich ein Werbebanner für unser damaliges Produkt gestalte und Teil des Bildelements sollte ein Mouse Cursor sein – weil das angeblich besser bei A/B-Tests performt hat. Ich habe mich sehr gesträubt, weil mir das zu platt war und ich natürlich recht idealistische Designvorstellungen hatte. Also habe ich angeboten, dass er sein Banner mit Cursor gestaltet und ich eines auf meine Weise und wir in einem A/B-Test checken, welches besser performt.
Ich sag mal so: Ich musste nicht einen ganzen Tag im rosa Hasenkostüm im Büro herumlaufen.
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