Tiefeninterviews sind sowohl in der User Research als auch in der Marktforschung eine essenzielle Methode, liefern sie doch sehr tiefgehende und detaillierte Erkenntnisse, die eine quantitative Befragung nicht erbringen kann. So steigt man tief in die Bedürfnisse, Emotionen und die Gedankenwelt der Befragten ein, kann konkrete Probleme identifizieren und untersuchen oder auch neue Themen von Grund auf erkunden.
Das Problem: Sie sind zu langsam und aufwendig, um sie regelmäßig durchzuführen, vor allem wenn man Ergebnisse in einem möglichst repräsentativen Umfang benötigt.
Das bedeutet in der Praxis, dass Tiefeninterviews nicht oft genug durchgeführt werden und es erst recht keine strukturierte Einbindung in die strategischen Produktprozesse gibt.
Eine neue Methode, die durch den Einsatz von AI-Tools ermöglicht wird, könnte die Lösung sein: Unmoderierte Interviews.
🧠 Das Wichtigste in aller Kürze
- Unmoderierte Interviews werden remote und asynchron durchgeführt, das heißt, es ist keine interviewende Person notwendig.
- In vielen Anwendungssituationen bieten unmoderierte Interviews einen echten Mehrwert, jedoch hängt die Methodenauswahl vom Studienziel ab.
- In Kombination mit einer AI-Auswertung sind unmoderierte Interviews sehr schnell umzusetzen und sparen über 50 % der Zeit im Vergleich zu Tiefeninterviews.
- Auch die Resonanz der Teilnehmenden fällt positiv auf: Sie fühlen sich freier und offener in ihren Antworten.
Sind unmoderierte Interviews ein Ersatz für Tiefeninterviews?
Unmoderierte UX-Tests sind aus der UX-Research kaum noch wegzudenken. Die Testpersonen bearbeiten Aufgaben und denken dabei laut, während ihr Bildschirm und ihre Stimme aufgezeichnet werden. So können Erkenntnisse über die User Experience und Usability eines digitalen Produktes gesammelt werden, ohne dass die Researcher gleichzeitig anwesend sein müssen. Stattdessen schauen sie sich die Ergebnisvideos zu einer für sie passenden Zeit an oder lassen die Tests direkt von einem AI-Assistenten analysieren.
Das gleiche Prinzip gilt auch bei unmoderierten Interviews: Die Fragen werden schriftlich gestellt und die Teilnehmenden beantworten sie mündlich. Sie befinden sich dabei in ihrer gewohnten Umgebung und bleiben sogar anonym, sodass sie in vielen Fällen offener und ehrlicher antworten, als es mit einem menschlichen Gegenüber der Fall wäre. Die Ergebnisse liegen auch hier als Videos vor, können also asynchron erhoben und ausgewertet werden.
Der große Zeitsparer: AI-Analyse
In Kombination mit einer AI-Auswertung können unmoderierte Interviews auch in einem großen Umfang, z. B. mit 50-70 Teilnehmenden, schnell und ohne viel Aufwand durchgeführt werden.
Doch können unmoderierte Interviews wirklich klassische Tiefeninterviews ersetzen? Um das zu beantworten, müssen wir uns die Stärken, Schwächen und Anwendungsmöglichkeiten der beiden Methoden anschauen.
Klassische Tiefeninterviews vs. unmoderierte Interviews
Unmoderierte Interviews sind also nicht in allen, aber in vielen Situationen eine gute Alternative zu klassischen Tiefeninterviews. Gerade wenn es um Forschungsbereiche geht, in denen aktuell aus Zeitgründen vor allem auf qualitative Methoden gesetzt wird (z. B. Markt- und Meinungsforschung) oder bei Fragestellungen, für die gerade gar keine Zeit für Research ist, sind unmoderierte Interviews (in Kombination mit AI) eine hervorragende Lösung.
Wir gestalten, testen und optimieren User Experiences
Egal ob klassische oder unmoderierte Tiefeninterviews, ganze UX-Design-Projekte oder Unterstützung im UX-Management – unsere UX-Agentur Userlutions hilft seit 2011 Unternehmen bei der Gestaltung von Produkten und Kommunikationsmaßnahmen mit User-Fokus.
Unmoderierte Interviews in der Praxis
Unsere Agentur hat unmoderierte Interviews bereits in einigen Studien angewendet. Hier möchten wir dir einen kleinen Einblick in den Ablauf und die Erkenntnisse aus einer mehrstufigen Teststudie zur Energiewende geben. Die ausführliche Studienbeschreibung inklusive aller wichtigen Erkenntnisse findest du in unserer Case Study zum Download.
Ablauf: Vier umfangreiche Studien innerhalb von 4 Wochen
Wir haben vier aufeinander aufbauende Interview-Studien zur Energiewende durchgeführt. Ziel war es, Meinungen und Erfahrungen rund um den Umstieg auf erneuerbare Energien einzusammeln sowie die Motivatoren rund um E-Mobilität und Solaranlagen zu verstehen.
Die Themen der 4 Studien:
- Wissen und Meinungen rund ums Thema Energiewende
- Deep-Dive E-Mobilität
- Pull- und Pushfaktoren-Analyse Autarkie
- Customer Journey Map Solaranlage
In jeder der Studien wurden jeweils 5-10 Probanden in 15-minütigen unmoderierten Interviews befragt. Für die Rekrutierung nutzten wir unser eigenes Panel. Die Ergebnisse wurden mit unserem AI-Assistenten ausgewertet.
Die 4 Studien konnten von einer einzelnen Researcherin innerhalb von 4 Wochen neben dem sonstigen Tagesgeschäft durchgeführt werden, also eine Studie pro Woche. Klassische Tiefeninterviews hätten bei diesem Studienumfang mindestens 8-12 Wochen in Anspruch genommen.
Erkenntnisse zur Energiewende: Die Bereitschaft ist bei vielen da, aber es gibt viele Sorgen und Bedenken
Durch die Analyse der AI musste die Researcherin die Erkenntnisse lediglich sichten und zur Weiterverwendung aufbereiten. Hier einige Einblicke:
Energiewende allgemein
- Neben Industrie und Verkehrssektor wird auch der Einfluss von Individuen als sehr groß eingeschätzt.
- E-Mobilität wird nicht als Schlüsseltechnik für Energiewende betrachtet, da es nicht so umweltfreundlich sei wie gedacht.
Sorgen und Bedenken
- Es wird ein Wettbewerbsnachteil für Deutschland befürchtet, wenn andere Länder nicht mitziehen (können oder wollen).
- E-Autos wurden von einigen Teilnehmenden mit Verlust von Freiheit gleichgesetzt, da die Flexibilität durch die Notwendigkeit, Ladestationen zu finden, eingeschränkt wird. Sie sind besorgt, liegenzubleiben, weil das Auto nicht korrekt geladen wurde.
Autarkie und Solaranlagen
- Der größte Motivationsfaktor für die Anschaffung einer Solaranlage ist das Gefühl, unabhängig vom Stromnetz zu sein.
- Die Anschaffungskosten und die Installation schrecken jedoch ab vom Kauf einer PV-Anlage.
Mehr Erkenntnisse zum Thema und zur Methode, sowie den gesamten Studienablauf findest du übersichtlich aufbereitet in unserer Case Study.
Resonanz der Teilnehmenden: offenes und freies Antworten, manchen fehlt die soziale Komponente
Von den Teilnehmenden wurde diese neue Art der Befragung übrigens größtenteils positiv aufgenommen. Sie fühlten sich freier und entspannter, hatten weniger Angst, etwas Falsches zu sagen und fanden es gut, sich die Fragen genau und ggf. öfter durchlesen zu können. Einige Teilnehmende merkten jedoch auch an, dass ihnen die soziale Komponente und das Feedback eines Gesprächspartners gefehlt hat.
Das waren einige der Reaktionen auf das neue Interviewformat:
„Ich fühle mich sehr frei und entspannt, ohne Angst davor zu haben, irgendwas Falsches zu sagen.“
„Mit Moderator wäre es interessanter, um ein Gespräch zu führen und um sicher zu stellen das die Infos auch in die richtige Richtung gehen.“
Fazit: Schaffe mehr qualitative Research durch unmoderierte Interviews
Unmoderierte Interviews, unterstützt durch AI-Tools, bieten eine effiziente und skalierbare Alternative zu klassischen Tiefeninterviews. Sie ermöglichen:
- Zeiteinsparungen durch asynchrone Durchführung und schnelle AI-Auswertung
- Kosteneffizienz, da weniger Personal und Ressourcen benötigt werden
- Skalierbarkeit, indem eine große Anzahl von Teilnehmenden gleichzeitig befragt werden kann
- Anonymität der Teilnehmenden, was ehrliche und offene Antworten fördert
Trotzdem solltest du je nach Zielsetzung und Forschungsanspruch entscheiden, welche Methode am besten geeignet ist.
Sind unmoderierte Interviews die passende Methode für deine Forschungsfragen?
Wir können dich unterstützen:
Deine Ansprechpartnerin
Birgit Bärnreuther
Gründerin & Agenturleiterin
030 / 544 870 24
(Mo bis Fr von 9 bis 18 Uhr)
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